In China, dem mit Abstand größten Markt, wächst derweil der Weinkonsum jährlich um etwa 20 %
– vor allem „Ganhong“, wie die Chinesen den trockenen Roten nennen, erfreut sich stark steigender Beliebtheit.
Mit gut 500.000 Hektar Rebland rangiert das „Reich der Mitte“ inzwischen auf Platz fünf in der Welt hinter Spanien, Italien, Frankreich und der Türkei, bei der Produktion auf Rang sechs hinter Italien, Frankreich, Spanien, den USA und Argentinien. Für den Zeitraum von 2010 bis 2014 wird mit einem Anstieg der Produktion um 77 Prozent gerechnet. Die chinesischen Weinregionen liegen tausende von Kilometern entfernt quer über das Land verstreut, von Qingdao und Yantai am Meer im Osten über den Gelben Fluss und die Helan-Berge von Ninxia bis Xinjiang im Westen mit seinem extremen Klima. Aber auch in Yunnan im Südwesten sowie ganz oben im Nordosten werden Trauben angebaut.
Was die Qualität der chinesischen Weine betrifft, zeigten sich die Experten bis vor wenigen Jahren einig: Daumen nach unten. Doch auch das gilt längst nicht mehr uneingeschränkt. Wer die Tropfen aus Fernost ignoriere, so der britische Weinkritiker Robert Joseph, sei auf dem falschen Weg. Und die einzige Deutsche mit dem Titel Master of Wine, Caro Maurer aus Bonn, traut China durchaus zu, sich in den nächsten zehn Jahren zu einer der führenden Weinbaunationen der Welt zu entwickeln. Dazu passt, dass im September 2011 bei den World Wine Awards des englischen Magazines „Decanter“ erstmals ein Cabernet aus China der gesamten westlichen Konkurrenz das Nachsehen gab. Verkauft wird er zuhause für 15 Euro. Doch in Zeiten, in denen immer mehr reiche Chinesen den Wein als Luxus-Kulturgut und Statussymbol entdecken, geht das natürlich auch anders: Die im Besitz von Gernot Langes-Swarovski stehende „Bodega Langes“ im drei Autostunden von Peking entfernten Changli bietet zum Beispiel den Mitgliedern ihres Weinclubs exklusive Jahrgangsflaschen mit echten Swarovski-Kristallen zum Glück bringenden Preis von 888 Yuan an – umgerechnet 97 Euro.
„Big is Beautiful“
Bei den geschmacklichen Vorlieben sind die 20 Millionen Chinesen, die zumindest gelegentlich Wein trinken, weitgehend festgelegt: „Ganhong“ muss es sein, trockener Roter, und am besten aus Bordeaux oder Burgund! Für die Winzer aus Bordeaux ist China inzwischen der wichtigste Exportmarkt, noch vor Großbritannien und Deutschland. In der chinesischen Importstatistik folgen hinter den französischen Weinen, die fast 50 Prozent Marktanteil haben, Spanien, Australien, Chile und Italien. Nur eine von zehn Flaschen, die in China konsumiert werden, enthält Weißwein – nicht sehr günstig für die deutschen Erzeuger. Ein Potenzial von etwa 200 Millionen weiteren Chinesen, die sich regelmäßigen Weingenuss leisten können, birgt jedoch Potenzial. Und 2011 stieg die Volksrepublik zum wichtigsten Exportziel in Asien auf, noch vor dem langjährigen Spitzenreiter Japan. 40.000 Hektoliter deutschen Rebensaftes gingen nach China – immerhin 15 Prozent mehr als im Vorjahr.
Bei aller Begeisterung über noble Etiketten mit klangvollen Chateau-Namen aus Europa: Noch immer entfällt mehr als 80 Prozent des Weinkonsumes in China auf einheimische Gewächse. Dabei gilt auch hier die Devise „Big is beautiful“. Es gibt zwar über das ganze Land verteilt rund 900 Weinbaubetriebe, aber die drei größten von ihnen – ChangYu, Great Wall/COFCO und Dynasty teilen sich etwa die Hälfte des Binnenmarktes. Für fast ein Drittel des chinesischen Weinexportes zeichnet sich die Marke Dragon Seal verantwortlich.
ChangYu zum ersten Mal als offizieller Aussteller auf der ProWein
Dass die Chinesen sich langfristig nicht damit begnügen, ihren wachsenden Binnenmarkt mit Wein zu versorgen, sondern längst an Exportstrategien arbeiten, liegt auf der Hand. Um die Qualität ihrer Weine zu verbessern, haben die Unternehmen aus dem Reich der Mitte in den vergangenen zehn Jahren mit Beratern und Önologen vornehmlich aus Frankreich und Italien viel Fachwissen eingekauft. ChangYu, das übrigens bereits 1892 mit Hilfe eines österreichischen Kellermeisters in Yantai die Weinproduktion begann, plant bis 2014 die Bestockung weiterer 700 Hektar Anbaufläche in Xinjiang, Ningxia und Shaanxi. Auf der ProWein 2013 wird ChangYu zum ersten Mal als offizieller Aussteller mit von der Partie sein – gemeinsam mit voraussichtlich 13 weiteren Unternehmen aus China. Deren Anzahl und gebuchte Fläche hat sich gegenüber dem Vorjahr verdreifacht. Auch bei den Fachbesuchern aus China erwartet die Messe eine weitere Steigerung.
Australische, französische, italienische und portugiesische Investoren haben vor ein paar Jahren unweit von Peking mit dem Chateau ChangYu-AFIP ein Stück Disneyland im Loire-Stil realisiert, das sich als Touristenattraktion großer Beliebtheit erfreut. Die Franzosen sind bereits seit 1980 als Investoren auf diesem Feld tätig – und erleben derzeit mit, wie nun das Pendel zurück schlägt.
Finanzstarke Investoren aus China auf Einkaufstour
Von der Welt zunächst nicht gleich bemerkt, haben Chinesen, darunter auch einige Geschäftsleute aus Hongkong und Singapur, in jüngster Zeit mindestens 20 Chateaus in Bordeaux und Burgund erworben – darunter Namen wie Latour-Laguens, Laulan-Ducos, Richelieu und Chenu Lafitte. Als im Sommer letzten Jahres mit dem ins zwölfte Jahrhundert zurück reichenden Chateau de Gevrey-Chambertin eine echte Ikone der „Grande Nation“ bei einer Auktion für knapp das Dreifache des Schätzwertes in chinesische Hände kam, gingen allerdings bei den traditionsbewussten Burgundern die Emotionen hoch. Kleiner Trost für die Franzosen: Auch in anderen Ländern, etwa in Australien, Chile, Kalifornien, Neuseeland oder Bulgarien, gehen derzeit finanzstarke Investoren aus China auf Einkaufstour. Und dabei haben sie keineswegs ausschließlich den Heimatmarkt im Fokus, auch wenn der jährliche Pro-Kopf-Konsum der Chinesen von knapp einem Liter noch viel Spielraum nach oben lässt.