ProWein 2015 – Studienzusammenfassung
Trends bei Wein-Einzelhandelskanälen
Im internationalen Weinhandel ist es allseits bekannt, dass die Kanäle,
über die Wein an den Verbraucher gelangt, wie nie zuvor in Bewegung
sind. Die öfter in Städten lebenden und weltweit miteinander vernetzten
Weinkonsumenten verändern ihre Einkaufsgewohnheiten und dieser veränderte
Bedarf prägt auch die Art und Weise, in der Händler im Segment Wein,
aber auch im Allgemeinen agieren und vermarkten. Die Kernfrage lautet
dabei, wie sich diese Veränderungen in Bezug auf
sichtbare Trends in den Kernmärkten manifestieren. Welche Kanäle
gewinnen dazu und welche verlieren? Welchen Händlern geht es besser
als anderen? Und vielleicht sogar die wichtigste aller Fragen: Gibt es
erkennbare Muster für die Entwicklungen bei Kanälen über verschiedene
Märkte hinweg, aus denen wir grundsätzlichere Rückschlüsse darüber
ziehen könnten, wie Wein weltweit vertrieben wird?
Umfang der Studie: Märkte, die 50 Prozent des weltweiten
Weinkonsums ausmachen
Die Veranstalter der ProWein, der führenden Fachmesse für die
internationale Wein- und Spirituosenbranche, hat Wine Intelligence damit
beauftragt, diesen Fragen auf den Grund zu gehen. Die Studie umfasst
acht Märkte, die zusammen einen repräsentativen Querschnitt des weltweiten
darstellen. Anhand bestehender veröffentlichter Daten und der eigenen
Datenbanken von Wine Intelligence veröffentlicht der Bericht zum ersten Mal
Zahlen zum geschätzten Wachstum einzelner Einzelhandelskanäle.
Dazu wurden Daten aus den Vereinigten Staaten, dem weltweit größten
Markt für Wein, analysiert sowie aus Deutschland und Großbritannien,
also der Nr. 1 bzw. Nr. 2 in puncto importierte Weinmenge.
Auch Japan und Australien standen im Fokus – beides Märkte,
die in letzter Zeit von ein solidem Wachstum gekennzeichnet waren;
und schließlich drei Märkte, in denen traditionell Wein in riesigen
Mengen abgesetzt wurde, die aber seit langem rückläufig sind: Frankreich,
Spanien und Italien. Zusammen stehen diese acht Märkte für über
12 Milliarden Liter Wein, die allein 2013 konsumiert wurden (Quelle: IWSR),
oder rund 50 Prozent der etwa 24 Mrd. Liter Wein, die weltweit getrunken
wurden (Quelle: OIV). Daraus folgt, dass jede Veränderung auf diesen
Märkten – ob nun plötzlich oder allmählich – Rückwirkungen auf die globale
Supply Chain hat und schließlich sowohl Produzenten als auch
Verbraucher treffen wird.
Acht Märkte: Einige Themen, viele Unterschiede
Diejenigen, die eine einzige, vereinheitlichende Theorie zu den Trends im
Weinhandel erwarten, werden vom Inhalt dieser Studie vielleicht zunächst
enttäuscht sein. Jedes untersuchte Land scheint ein „Ökosystem” für sich
zu sein, mit unterschiedlichem Rechtsrahmen und Geschäftsklima. Die
beliebten Wirtschaftstermini Globalisierung und Konvergenz passen so gar
nicht zum wirklichen Umfeld im Weinhandel, das anderen rechtlichen
Strukturen und unterschiedlichen Verbrauchererwartungen unterliegt.
Während sich in den meisten Fällen Veränderungen ergeben – einige mit
weitreichenden Konsequenzen – vollzieht sich dieser Wandel generell
ziemlich langsam. Das sollte nicht überraschen: Verbraucher sind
„Gewohnheitstiere“ und sie neigen nicht zu radikalen Veränderungen, wenn
es darum geht, wo sie ihre Lebensmittel und Getränke einkaufen. Auch
haben die etablierten Einzelhändler einen natürlichen Vorteil gegenüber
allen neuen Kanälen oder Handelsformaten: Sie besetzen die besten
Lagen, genießen den höchsten Markenbekanntheitsgrad und profitieren
deshalb am meisten von der Trägheit des Verbrauchers. In diesem Klima
können althergebrachte Geschäftsmodelle überleben, während es Neuen
eventuell schwerfällt, kurzfristig Fuß zu fassen.
Die „Convenience-Revolution“: Öfter shoppen, weniger einkaufen
Nachdem die Erwartungen nun entsprechend justiert sind, gibt es aber
trotzdem einige interessante länderübergreifende Trends, die diese Studie
zu Tage gefördert hat. Der vielleicht Bemerkenswerteste in gleich mehreren
Kernmärkten ist die Neigung des Verbrauchers, Lebensmittel häufiger
einzukaufen, dafür aber in kleineren Mengen und das schließt Wein mit ein.
Generell kann man sagen (weil die Definition der Kanäle auf Länderebene
voneinander abweicht), dass der Convenience-Kanal für Wein in
Großbritannien, den USA, Frankreich und Spanien wichtiger geworden ist.
Die Treiber für diesen Trend sind hinlänglich bekannt und bestehen
hauptsächlich in der zunehmenden Verstädterung der Bevölkerung, dem
rückläufigen Motorisierungsgrad und Individualverkehr auf einigen Märkten
(die wiederum von steigenden Ölpreisen und Fahrzeugbesteuerung
getrieben werden). Dieses „Urbanisations-Sparprogramm“ trifft besonders
auf Spanien zu. In einigen Märkten sind die Nutznießer dieses Trends die
gleichen Einzelhändler, die auch schon andere Kanäle dominieren. Das
trifft besonders auf Großbritannien und Frankreich zu, wo „lokale
Versionen” der wichtigen Supermarkt-Brands in den letzten 10 Jahren
zurück in die Städte migriert sind, nachdem sie die vorhergehenden
Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts damit verbracht hatten, den Verbraucher
davon zu überzeugen, dass man Lebensmittel am besten im großen
Verbrauchermarkt mit Parkplatz am Stadtrand einkauft. Auf anderen
Märkten wie z.B. in den USA hat die jüngste Liberalisierung der Gesetze
noch aus Prohibitionszeiten, die es jetzt auch den sogenannten Drugstores
(eigentlich Verbrauchermärkten mit Apotheke) erlaubt, Bier und Wein zu
verkaufen, dem Convenience-Kanal sehr viel Auftrieb verschafft.
Online-Modelle wachsen rasant
Ein weiterer bemerkenswerter Trend, der sich in mehreren Ländern zeigt,
ist die Zunahme von Online-basierten Shopping-Formaten mit
Lieferservice. Auch hier finden wir verschiedene Ausprägungen von den
weit entwickelten Online-LEH-Netzwerken in Großbritannien bis zu den
immer beliebteren „Click und Collect“ Systemen in Frankreich oder „Direct-
to-Home“ Facheinzelhändlern (einschließlich Winzern mit
Direktbelieferung) in den USA. In diesen Ländern und bis zu einem
gewissen Maße auch in Ländern wie Australien und Spanien hat die neue
Kommunikationstechnik die Kanalnutzung des Verbrauchers hin zum
virtuellen, aber informationsreichen Online-Shop verändert.
Konsolidierung weiter starker Trend
Auf einigen Märkten bleibt auch ein anderer langjähriger Trend im
weltweiten Einzelhandel die treibende Kraft – die Konsolidierung. Die
Verdrängung bzw. Übernahme von eigentümergeführten Weinläden und
kleinen Weinfilialbetrieben durch national oder sogar grenzüberschreitend
tätige Unternehmen, oftmals Supermarktketten, bleibt in Deutschland und
Italien ein wichtiges Thema. In Deutschland sind die Filial-Discounter
die Haupttreiber dieser Entwicklung, obwohl seit neustem dieser Trend in eine
neue Richtung geht: Die Mainstream-Supermärkte streben nach mehr 1A
Flächen und setzen so den Wein-Facheinzelhandel unter Druck.
Schlussfolgerungen: Polarisierung des Bedarfes zwischen
Convenience und „informationsreichen“ Kanälen
Wie sehen nun die Konsequenzen dieser Mehrländer-Trends für Hersteller
und Markenartikler aus? Die erste, allgemeinere Feststellung ist die
Erkenntnis, dass Einzelhändler zwei wohl divergierende Veränderungen im
Verbraucherverhalten miteinander in Einklang bringen müssen. Einerseits
könnte die Zunahme bei Convenience-Einkäufen bedeuten, dass dieser
Kanal ganz generell eine kleinere Weinauswahl benötigt, aber mit einem
größeren Anteil von markenstarken, auffälligen und vertrauenswürdigen
Wein-Marken, die sich für eine spontane „Low-Involvement“ Einkaufs-
entscheidung anbieten. Andererseits lässt häufigeres Online-Shopping
und Einkaufen „per Fernbedienung“ einen Bedarf für größere Sortimente
und Informationsangebote in diesem Kanal vermuten – eventuell weniger
zur Marke und mehr über Herkunft und Geschichte.
Spezifisch lässt der Trend vermuten, dass Weinhändler unterschiedliche
Produkt- und Service-Strategien für diese wachsenden Kanäle verfolgen
müssen; in einigen Märkten muss man auch anerkennen, dass die gleichen
Kunden, die den Marktzugang von 10 – 20 Jahren dominiert haben, auch
die neueren Kanäle kontrollieren. In anderen Märkten wie den USA
zum Beispiel, gibt es neue Kanäle und neue Supply-Chain Kunden (besonders
die Convenience Filialisten), die ihren Marktanteil auf Kosten der
traditionellen Liquor-Stores (Spirituosenfachgeschäfte) oder konventioneller
Supermärkte vergrößern wollen.
Besuchern der diesjährigen ProWein wird die Studie am Montag, den 16.
März von 10.15 Uhr bis 11.00 Uhr im ProWein Forum in Halle 13
vorgestellt.