Trockenmauern, Trollinger und Tradition, das Natur- und Kulturerbe Terrassenweinberg – wie lange noch? Kathedralen, Burgen, Schlösser des Weinbaus
Die Umweltakademie Baden-Württemberg in Partnerschaft mit dem Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg, der Staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau Weinsberg, den Weinbauverbänden Württemberg und Baden und weiteren Partnern suchen Lösungsansätze.
Seit Jahren werden nicht nur in Baden-Württemberg sondern vielerorts in Europa immer mehr Steillagenweinberge aufgegeben und nicht mehr bewirtschaftet. Ein alarmierender Grund für die Akademie für Natur- und Umweltschutz des Landes – auch vor dem Hintergrund der Liberalisierung des EU-Weinbaus ab 2016 -, um gemeinsam mit rund 160 Teilnehmern beim Kongress in Besigheim nach tragfähigen Lösungsansätzen zu suchen.
Besonders erfreulich ist es, dass die Veranstalter nahezu alle Beteiligten Akteure, nämlich Vertreter der Weinbaugenossenschaften, der Privatweingüter, der Weinwirtschaft, der Forschung und Lehre, der Kommunen, des Tourismus und des Naturschutzes in Besigheim zusammenbringen konnten.
Und das nicht zum ersten Mal, wie Claus-Peter Hutter, Leiter der Umweltakademie betonte: „Bereits sehr früh hat die Umweltakademie erkannt, dass Weinbau und Umwelt zusammengehören. Bereits 1992
hat die Akademie diesem Thema gemeinsam mit der Staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt Weinsberg und den Weinbauverbänden einen Kongress gewidmet und seitdem kontinuierlich das Thema im Sinne der Nachhaltigkeit regelmäßig aufgegriffen. „Nachdem wir es zusammen mit vielen Partnern seit dem geschafft haben, das Bewusstsein für Erosion, Boden- und Grund-wasserschutz zu erhöhen und heute nahezu flächendeckend im Land die Weinberge begrünt sind und weitgehend auf Insektizide verzichtet wird, gilt es jetzt die Blicke auf die Terrassenweinberge als unersetzliches Natur- und Kulturerbe zu lenken.
Zudem muss die biologische Vielfalt erhöht bzw. erhalten werden, auch vor dem Hintergrund der Nachhaltig.”Seit über 1000 Jahren werde an der steilen Hängen am Neckar und der Enz nahezu ununterbrochen Wein angebaut. Dieses sei nicht nur ein unersetzliches Aushängeschild für die Region Mittlerer Neckar und das Land Baden-Württemberg, sondern auch ein wertvoller Lebensraum für hochspezialisierte Tier- und Pflanzenarten.
Rede des Landwirtschaftsminister Alexander Bonde
Alexander Bonde, Minister für Landwirtschaft und Verbraucherschutz bezeichnete die Bewahrung der Terrassenweinberge als besonderes Bindeglied von Natur und Kultur als riesige Herausforderung.
Die Bewirtschaftung und damit Instandhaltung der Weinbau-Steillagen
sei mit immensem Aufwand verbunden. Die Erhaltung dieses wertvollen Natur-und Kulturerbes sei eine riesige Aufgabe, der sich die ganze Gesellschaft stellen müsse, so der Minister. Wein- Verband und Tourismusbranche sind hier gefordert, unverwechselbare Steillagen-Angebote zu schaffen.
Erhalt der Steillagen-Weinberge ist eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung
Im doppelten Sinne des Wortes steinig aber lohnend ist der Weg, den Baden-Württemberg beim Erhalt der charakteristischen, steilen Terrassenweinberge beschreiten muss. Dies zeigte sich deutlich beim Kongress „Trockenmauern, Trollinger und Tradition. Das Natur- und Kulturerbe Terrassenweinberge – Wie lange noch?”
Es kann aber auch nicht sein, dass der Weinbauverband Württemberg aus den Steillagen heraus möchte ” kann man niemandem vorschreiben, diese Lagen weiter zu bewirtschaften” und auf der anderen Seite Fördergelder
vom Land beziehen zu wollen.
Eine realistische Betrachtung von Angebot und Nachfrage – Markt, Verbraucher muss sich ergänzen. Eine Vollständige Förderung durch das Land wird es nicht geben. Die Steillagen-Vermarktung geht über den Verbraucher, dieser entscheidet ob diese Terrassen weiter Bestand haben werden und dieses durch den Preis der Produkte sich rechnet.
Das Land Baden-Württemberg, Bund und EU stellen beachtliche Fördergelder zur Verfügung, so ist der Bewirtschaftungszuschuss von 350€ auf 900€/ha für Steillagen aufgestockt und für die Betriebs- Direktzahlungen von 300€/ha/Jahr bis 30ha Betriebsgröße erhöht worden. Die Förderung der Umstrukturierung von Steillagen ist mit bis zu 32.000 €/ha die höchste bundesweit.
Die neuen Anbauregulungen, Pflanzrechte, die ab 2016 gelten, werden eine Abwanderung der Pflanzrechte von den Steillagen hin zu den Normallagen (Direktzuglagen) beschleunigen. Der Weinbauverband Württemberg hat hierzu in Brüssel nicht interveniert.
Direktzahlungen und Ausgleichsleistungen für landw. Betriebe
Betriebsprämie mit Umverteilungsprämie
Förderprogramm für Agrarumwelt, Klimaschutz und Tierwohl (FAKT)
Ausgleichszulage Landwirtschaft (AZL)
Schutzgebiets- und Ausgleichsverordnung (SchALVO) für
Wasserschutzgebiete
Landschaftspflegerichtlinie (LPR)
Förderprogramm für Grünlandsteillagen
Weinbauliche Maßnahmen
Förderung von Investitionen im Weinbau (VwV Förderung Weinbau,
Teil C und D)
Förderung des Weinbaus (Rodungsprämie; Umstellungs- und
Umstrukturierungsprogramm) (UuU)
Förderprogramm für Pheromonverfahren im Weinbau (PHW) (ab 2015)
„Die Erhaltung des Steillagenweinbaus ist ein wichtiger Schwerpunkt württembergischer Weinbaupolitik”, unterstrich Weinbaupräsident Hermann Hohl, legte aber auch den Finger in die Wunde. Die Realität sei, dass Steillagen „für unsere Weinbaubetriebe unwirtschaftlich geworden sind”. Insbesondere dann, wenn es Mauern zu erhalten oder gar aufzubauen gelte. Realität sei auch, dass ab dem Jahr 2016 eine neue Pflanzrechteregelung eingeführt wird. Und mit dem neuen System, das auch neue Pflanzrechte bringen werde, komme Huckepack vor allem auch eine Änderung im Umgang mit den Wiederbepflanzungsrechten: „Weil diese künftig nicht mehr auf der Fläche liegen werden sondern dem Weinbaubetrieb gehören, kann der Betriebsleiter entscheiden, auf welchen Flächen er die Rechte nutzen möchte. Es liegt auf der Hand, dass somit arbeitsaufwändige Steillagen in eine rationeller zu bewirtschaftende Flachlage übertragen werden! Und ich bin sehr sicher: Davon wird die Praxis rege Gebrauch machen!” So der Weinbaupräsident Herman Hohl.
Dr. Utz Remlinger Erster Landesbeamter Landratsamt Ludwigsburg betonte, dass auch das Öko-Konto, Flurbereinigungen-Hohenasperg- einen Beitrag zur Förderung der Steillagen beiträgt, wie in Roßwang als Pilotprojekt gezeigt werden kann. Dort sind Weinberglagen und deren Trockenmauern über das Öko-Konto, Umweltförderung der KSK-LB aufgebaut worden. Es werden 400€/qm Trockenmauern bezahlt.
Dr. Goetz Reustle, Vorstandsvorsitzender der Felsengartenkellerei Besigheim sieht die Chance, in den klimatisch begünstigten Terrassenlagen besondere Weine (wie WEINBERGWERK (Jahrwerk, Meisterwerk und Lebenswerk)) zu erzeugen. Er gibt aber zu bedenken, dass der Markt für hochwertige und damit höherpreisige Weine begrenzt ist. „Nur ein Teil (20%) unserer terrassierten Steillagen kann auf diese Weise erhalten werden.
Um die Weinberg-Kulturlandschaft an Neckar und Enz zu erhalten, bedarf es der Unterstützung durch Kommunen, Behörden und der Politik. Der Weinbau der diese Kulturlandschaft über Jahrzehnte und Jahrhunderte geschaffen und erhalten hat, wird dies in Zukunft alleine nicht mehr leisten können.”
Prof. Dr. Werner Konold von der Universität Freiburg erklärte: „Um die steilen Hänge überhaupt erst zu bewirtschaften wurden vor rund 1000 Jahren die Trockenmauern angelegt. Der kulturhistorische Wert der Mauern ist unschätzbar.” Vergleichbar mit dem Machu Picchu in den Anden Perus und Kathedralen.
Auch beim Verband Region Stuttgart schätzt man diesen kulturhistorischen Wert. Thomas Kiwitt, leitender Technischer Direktor beim Verband Region Stuttgart, nannte die Weinbau-Steillagen mit ihren Trockenmauern einen ökonomisch-ökologischen Standortfaktor, der den Weinbau als Standortfaktor, wie es Esslingen zeigt, sehr wohl für die Bevölkerung Bestand und Erholungswert hat. Eben auch durch seine hochwertigen Produkte.
Aly Leonardy, Vizepräsident Versammlung der Weinbauregionen Europas (AREV) betonte, dass das Piemont, Porto, Elsaß ebenso die gleichen Probleme hätten und ein Lösungsansatz hierzu in zwei Säulenunterteilt werden. Die erste Säule ist die Produktförderung und die zweite Säule sind die verschiedenen spezifischen Regionen, denen gilt gerecht zu werden.
Dr. Rühl Leiter des Referats Garten-, Obst- und Weinbau sagte, dass wir es als Gemeinschaft selbst bestimmen wie es mit dem Steillagenweinbau weiter geht. Es sind Gespräche, dass mehr Geld von der EU über Direktzahlungen geleistet werden sollen, eben wegen der spezifischen Steillagenproduktion in Württemberg. Gemeinsam mit AREV finden in Brüssel Gespräche statt, um dieses zu fördern.
Die Rede des Weinbaupräsidenten für Württemberg, Hermann Hohl Steillagenkongress am 23.4.2015 in Besigheim
Die Erhaltung des Steillagenweinbaus ist ein wichtiger Schwerpunkt württembergischer Weinbaupolitik.
Das hat seinen guten Grund, denn schließlich liegen rund zwei Drittel der landesweit rund 1.200 Hektar
Steillagen mit einer Hangneigung von 30 % und mehr in Württemberg.
Lange Zeit haben wir von deren klimatischen Vorzügen profitiert, insbesondere der Trollinger. Doch nicht nur das Klima, auch die
Zeiten ändern sich. Und da sehe ich es als meine Aufgabe an, den Finger in die Wunde zu legen, ohne andererseits als Totengräber
der Steillagen dastehen zu wollen. Gefragt ist aber zweifellos eine gesunde Portion Realitätssinn.
Die Realität ist, dass Steillagen für unsere Weinbaubetriebe unwirtschaftlich geworden sind. Insbesondere dann, wenn es Mauern zu erhalten oder gar aufzubauen gilt. Laut einer Untersuchung der LVWO Weinberg zahlt ein Steillagen-Bewirtschafter pro Arbeitsstunde sogar noch drauf, anstatt an dieser beschwerlichen Arbeit etwas zu verdienen. Vor diesem Hintergrund kann man niemandem vorschreiben, diese Lagen weiter zu bewirtschaften. Die junge Winzergeneration, die im anhaltenden Strukturwandel zunehmend das Sagen hat, lässt sich dazu ohnehin nicht mehr länger zwingen.
Auch ein Blick auf die Zahlen des aktuellen Agrarberichtes beweist, dass Württemberg bezüglich der Erzeugungskosten bundesweit abgeschlagen
das Schlusslicht bildet. Und das ist kein Wunder, denn der Arbeitsaufwand in Steillagen ist ja bekanntlich vier- bis fünfmal höher als in flachen Lagen.
“Fünf vor Zwölf war es bereits” so der Weinbaupräsident Herman Hohl.
Denn Realität ist auch, dass ab dem Jahr 2016 eine neue Pflanzrechteregelung eingeführt wird. Das soll nun keineswegs heißen, dass der Erhalt des Anbaustopps unsere Steillagen gerettet hätte, denn diese sind oft schlichtweg unrentabel und fallen aus diesem Grund aus der Produktion. Doch mit dem neuen System, das auch – bundesweit um die 500 ha pro Jahr – neue Pflanzrechte (sog. Autorisierungen) bringen wird, Lufa kommt Huckepack vor allem auch eine Änderung im Umgang mit den Wiederbepflanzungsrechten.
Weil diese künftig nicht mehr auf der Fläche liegen werden sondern dem Weinbaubetrieb gehören, kann der Betriebsleiter entscheiden, auf welchen Flächen er die Rechte nutzen möchte. Es liegt auf der Hand, dass somit arbeitsaufwändige Steillagen in eine rationeller zu bewirtschaftende Flachlage übertragen werden! Und ich bin sehr sicher: Davon wird die Praxis rege Gebrauch machen! Der Weinbauverband Württemberg wird dieser Praxis nicht widersprechen!
Erreicht werden konnte zwar noch, dass im Rahmen der Neuvergabe von Autorisierungen Steillagenflächen priorisiert werden. Doch das ist keineswegs als Steillagen-Rettung zu werten. Aufgrund der geschilderten Problematik mit den Wiederbepflanzungsrechten wird es dazu kommen, dass die terrassierten Steillagen unserem Landschaftsbild verloren gehen!
Dabei sind diese doch nicht nur schön anzusehen und aus kulturhistorischer Sicht so wertvoll, sondern auch aus vielen anderen Gründen. Ich zitierte aus einer Antwort des MLR auf eine Landtagsanfrage zur Förderung des Steillagenweinbaus in Baden-Württemberg: „Neben der Wahrung des Landschaftsbilds ist der Erhalt eines leistungsfähigen Weinbaus und intakten Naturhaushalts in den Weinbaugebieten auch aus volkswirtschaftlicher Sicht von höchster Dringlichkeit hinsichtlich der Arbeitsplätze im ländlichen Raum, insbesondere auch der Gastronomie, der Hotellerfe und im Tourismus.”
Wirklich getan hat sich Stand heute aber nicht viel, oder zu wenig. Jede Menge Lippenbekenntnisse, Kleinförderungen, die nicht wirklich die große Problematik ernst nehmen, und Absichtsbekundungen – übrigens nicht nur auf Landesebene.
Lassen Sie mich kurz über die Landesgrenze hinweg schauen: In den anderen weinbautreibenden Bundesländern (RLP, Bayern, Hessen) werden Steillagen über Agrarumweltprogramme mit bis zu 2.600 Euro je Hektar und Jahr gefördert.
In Baden-Württemberg gibt es bisher 900″Euro im Rahmen von FAKT, dem MEKA-Nachfolgeprogramm, wovon viele Betriebe aufgrund zu
geringer Flächen und in der Folge eines zu geringen Auszahlungsbetrages aber nicht profitieren können, sowie die Förderung der
Einschienen-Zahnradbahnen, die allerdings wenig in Anspruch genommen wird.
Eine reine Landesförderung fehlt, denn die genannten Programmteile sind von der EU co- oder wie im Fall der Umstrukturierungshilfen
sogar vollfinanziert.
Auch die noch junge Ökopunkteverordnung hilft nur bedingt weiter.
Es sollte nicht nur, wie bisher, der Aufbau verbuschter Weinberge mit eingefallenen Mauern Ökopunkt-relevant sein, sondern es muss
dringend auch die Erhaltung und Pflege der Wengertmauern Ausgleichsmaßnahmen-tauglich sein. Das kostet niemanden auch nur
einen Cent, würde uns in der Sache aber erheblich weiter bringen.
An anderer Stelle kann eine Mechanisierung zugelassen werden, indem Mauern innerhalb einer Parzelle, oder auch am Rand,
zumindest teilweise entfernt werden dürfen, um wenigstens eine teilweise Mechanisierbarkeit zu ermöglichen. Ab einer Höhe
von 0,75m gelten ja Trockenmauern laut der anstehenden Novelle des Naturschutzgesetzes als Biotop! Auch das halte ich für
kontraproduktiv und unnötig, schließlich hat sich das Bild einer Kulturlandschaft schon immer verändert. Warum nicht auch an dieser Stelle?
Die Forderung des Weinbauverbands auf eine Unterstützung zur Landschaftserhaltung (in Höhe von 5.000 Euro pro Jahr), z.B. im Rahmen eines Kulturlandschafts-Erhaltungsprogramms, blieb bislang ungehört. Und damit verbunden auch die Hilfeschreie des Berufsstandes.
Und dieser braucht, aus den geschilderten Gründen, die Steillagen nicht mehr zwangsläufig. Die Abwanderung ist vorprogrammiert.
Sollen die ganz zweifellos wertvollen und interessanten Lagen – wir haben ja quasi die schwäbischen Pyramiden vor der Haustüre –
sollen diese also langfristig erhalten bleiben, sind Gesellschaft und Politik gefragt.
Die Erhaltung der Steillagen ist aus meiner Sicht heute eine gesellschaftspolitische Aufgabe und Verantwortung.
Der Weinbau ist bereit, seinen Teil dazu beizutragen. Doch alleine können wir das Problem nicht mehr länger bewältigen.
Wünschenswert wäre, wie schon angedeutet, ein Kulturlandschaftsprogramm zugunsten insbesondere der landschaftsprägenden Steilstlagen. Um hier eine sinnvolle Lösung zu erarbeiten, müssen alle Beteiligten an einen Tisch: Naturschutz, Tourismus & Weinbau, Politik & Verbände. Wir sind dazu befeit! Doch es mussschnell gehen, sonst ist es fünf nach Zwölf! Herman Hohl Weinbaupräsident für Württemberg